Ein Fallbeispiel aus der
Medienbranche (Download
Fallbeispiel Medienbranche )
Wer zu den Personen gehört, die sich in
einer schleichend eskalierenden Mobbing-Situation auf einmal als
Opfer wieder gefunden haben, benötigt externe Hilfe, die sinnvollerweise
als Hilfe zur Selbsthilfe gegeben werden sollte.
Aus der (viel zu) großen Auswahl an Fallbeispielen geben wir
hier ein weiteres anonymisiertes Beispiel mit der darauf erfolgten
Antwort:
Sehr geehrte Damen und Herren,
seit 1 Jahr arbeite ich bei einem Start-up
Unternehmen der Medienbranche in Frankfurt als Marketing-Trainee.
Bei einem sehr dürftigen Einstiegsgehalt wurden mir gute Aufstiegschancen
(Marketing-Leiterin) in Aussicht gestellt. Zu meiner Person: Ich
bin Ende 30, habe 2 Studiengänge absolviert, einen mit Promotion
und spreche durch verschiedene Auslandsaufenthalte 2 Fremdsprachen
fließend. Die Marketingaktivitäten der Firma sollten
unter meiner Führung zentral gebündelt werden, um die
bisher unprofessionellen, willkürlichen Marketingaktionen der
einzelnen Geschäftsbereiche zu koordinieren. Deshalb wurde
meine Stelle von der Unternehmensleitung neu geschaffen.
Es überrascht Sie sicher nicht, wenn ich Ihnen mitteile, daß
diese Stelle von einem Teil der Bereichsleiter und deren Marketingverantwortlichen
stark abgelehnt wurde, aber vorab wohl nicht verhindert werden konnte.
Schon nach der 1. Woche in diesem Betrieb zeichnete sich dieser
Sachverhalt deutlich ab.
Insbesondere 4 Bereichsleiter, die sich in meinem Alter befinden,
schon vor mir in diesem Betrieb waren und im Gegensatz zu mir über
einen Mitarbeiterstab verfügen, haben es sich zum Ziel gesetzt,
mich aus dem Unternehmen zu mobben, bzw. "platt" zu machen.
Meine anvisierte Position hätte Ihren bisherigen Machtbereich
stark eingeschränkt.
Erleichtert wurden diese Aktionen auch durch die Tatsache, daß
ich völlig isoliert und fernab von meinen Kollegen in einem
noch freien Raum untergebracht wurde, was von Anfang an jeglichen
normalen Kontakt zu meinen Arbeitskollegen unterbunden hat. D. h.
ich wurde von Anfang an schon räumlich isoliert.
Es wird also mit Wissen bzw. Unterstützung dieser Bereichsleiter
seit Monaten gemobbt (ignorieren, Grimassen schneiden, dümmliches
bis hysterisches kreischendes Lachen, abwertende Handbewegungen,
Augen verdrehen, Anfragen und Anrufe nicht beantworten, wichtige
Informationen vorenthalten, Kooperation verweigern, Arbeitsplatz
durchwühlen... etc.). In der Woche vor Ostern wurde mir ziemlich
unverblümt von einem Kollegen mitgeteilt, daß ich aus
dem Unternehmen gemobbt werden soll.
Seit einiger Zeit wurde aber dieser "normale" Rahmen gesprengt,
so daß die Mobbingaktivitäten nun auch von Mitarbeitern
der sich im Hause befindlichen Nachbarfirmen und den Pendlern, die
ebenfalls täglich mit dem gleichen Zug wie ich zur Arbeit fahren,
übernommen wurden. Es hat sogar derartige Ausmaße angenommen,
daß an meinem 60 km vom Arbeitsplatz entfernten Wohnort "Sympathisanten"
gewonnen wurden. (Einige Kollegen kommen aus dieser Gegend.)
Zu meinem großen Entsetzen mußte ich feststellen, daß
bei meinen "lieben" Kollegen doch ein recht hohes kriminelles
Potential vorhanden ist. Die Tatsache, daß bisher noch nicht
der gewünschte Erfolg (= mein fluchtartiges Verlassen der Firma)
eingetreten ist, spornt zu immer abstruseren Höhenflügen
an. Ich habe den Eindruck, daß mittlerweile auch mit einfallsreichen
Rufmord-Kampagnen gearbeitet wird.
In diesem Institut sind alle PC's vernetzt, man kann jedoch mit
Administratorrechten auf jedem - eigentlich Paßwort geschützten
(!!?) - Arbeitsplatz "wildern". So verschwinden wichtige
Mails und selbst archivierte Anhänge und bei ausgehenden Mails
tauchen plötzlich "witzige" Tippfehler auf...
So konnte ich z. Bsp. nach einer kurzen Einweisung in die Datenbank
dieselbe von meinem PC aus 2 Tage nicht nutzen. Entscheidende Funktionen
wurden auf "wundersame" Weise blockiert (Glauben Sie,
daß eine Datenbank mit dt. Adressen keine Einträge unter
'Schmidt' hat? - In der Tat, mittlerweile gibt es sie ja wieder
die vielen Schmidts...) und dafür kamen für Sekunden kleine
Pop-ups mit Texten: "Du bist aber wirklich zu blöd"
oder das Programm schmierte ganz einfach ab.
Bisher habe ich diese Attacken "übersehen" und ignoriert
unter der Annahme, daß man so das Interesse verliert. Das
trifft aber nicht zu. Man überlegt sich ständig etwas
Neues! Es ist zum Institutshobby geworden.
Ich habe dieses Thema 2 x gegenüber meinen Vorgesetzten angesprochen,
es wurde aber immer nur lapidar abgetan. (Es sei ganz normal, daß
man sich nicht mit allen versteht...) ... An dieser Stelle sei erwähnt,
daß die einzelnen Bereiche SEHR eigenständig agieren
und sich nur wenig der Geschäftsleitung verpflichtet fühlen!
Ich bin äußerst betrübt, daß sich alles in
dieser Weise entwickelt hat. Ich habe hochmotiviert und voller Erwartungen
und Tatendrang diese Stelle angetreten und bin nun sehr enttäuscht
und auch fassungslos darüber wie sich diese Sache entwickelt
hat.
Bisher habe ich aufgrund meiner positiven Einstellung und sehr guten
Erziehung davon abgesehen auf entsprechend unverschämte Art
und Weise zu kontern.
Ich möchte auch auf diesem Niveau nicht kommunizieren! Dennoch
brauche ich dringend einen Rat wie ich diese unglaublich unverschämten,
rufschädigenden Aktionen stoppen kann!
Ich hoffe auf eine baldige Antwort und verbleibe mit freundlichen
Grüßen
AC
Darauf lautete unsere Antwort:
Sehr geehrte "Agatha Christie",
gern beantworten wir Ihre Anfrage mit dem Angebot,
Ihr Schreiben als nächsten Mobbingfall des Monats anonym ins
Netz zu stellen und mit einem saftigen Kommentar über Fürsorgepflicht
des Arbeitgebers und rechtliche Konsequenzen bei weiteren Verstößen
zu versehen. KLIMA-Mitglieder haben sich schon als externe Moderatoren
eingemischt und ohne großes An-die-Öffentlichkeit-Gehen
für Konfliktklärung und -lösung gesorgt. Wenn dem
Arbeitgeber in seinem eigenen Interesse am Wohl seines Personals
gelegen ist, gelingt es einem neutralen Mediator relativ leicht,
Missverständnisse zu klären und gegenseitiges Einvernehmen
wieder herzustellen.
Natürlich sind wir nicht die Einzigen, die helfen können.
Wer das Internet nutzt, um sich gegen Mobbing zur Wehr zu setzen,
findet eine Fülle weiterer Infos, zum Beispiel http://www.juracity.de/mobbing/index.htm.
KLIMA e. V. wird sich durch gegenseitige Vernetzung dafür einsetzen,
dass die Hoffnung auf zukünftig bessere Arbeitsbedingungen
nicht aufgegeben werden muss, wenngleich das in manchen Einzelfällen
nicht mehr möglich erscheint, in denen die Klage auf Schadensersatz
und Schmerzensgeld unter der Voraussetzung empfohlen wird, dass
ein beweiskräftiges Mobbingtagebuch geführt worden ist.
Die von Ihnen beschriebene Mobbing-Situation müssen bedauerlicherweise
immer wieder besonders leistungsfähige, hoch motivierte und
deshalb bevorzugt von Arbeitgebern eingestellte Fachleute erleben.
Mit dem Spruch "Fleiß ist Verrat am Kollegen" wird
Mitarbeitern, die durch ihren Einsatz zeigen, wie sich das Leistungsniveau
problemlos verbessern lässt, klar gemacht, dass man weiterhin
"eine ruhige Kugel schieben" möchte und nicht daran
interessiert ist, die Produktivität zu steigern.
Ein weiterer Hintergrund für Mobbing besteht in der mehr oder
weniger berechtigten Sorge, trotz langjährig bewährter
Tätigkeit in der Firma bei notwendig werdendem Stellenabbau
im Vergleich mit einem jüngeren fähigen Mitarbeiter "den
Kürzeren zu ziehen" und dadurch seinen Arbeitsplatz zu
verlieren. Deshalb werden alle Register gezogen, um den vermeintlichen
Konkurrenten durch Mobbing zu vergraulen. Er wird direkt kritisiert,
bei anderen schlecht dargestellt, durch Sabotage entmutigt, wie
von Ihnen beschrieben.
Der von Ihnen gut nachvollziehbar geschilderte Sachverhalt beruht
nach meinem Eindruck nicht unbedingt in erster Linie und allein
auf der Böswilligkeit der zu Mobbern gewordenen Bereichsleiter,
deren Taten nichtsdestoweniger aufs Schärfste zu verurteilen
sind, sondern bestimmt auch darauf, dass die Unternehmensleitung
versagt hat. Anstatt unter Einbindung dieser Personen die zukünftigen
Verbesserungsbestrebungen transparent und rückgekoppelt zu
vermitteln, wurde eine Bedrohung aufgebaut und dadurch eine eigentlich
unnötige Abwehrhaltung gegen Sie erzeugt.
Aus meiner Sicht ergeben sich mehrere Handlungsstränge:
- Ein derart schlecht geführtes Unternehmen wäre so schnell
wie möglich zu verlassen. Während aus ungekündigter
Stellung nach einem geeigneten Arbeitsplatz Ausschau gehalten wird,
leidet man dann nicht mehr unter dem Mobbing, sondern dokumentiert
dies in einem Mobbing-Tagebuch so klar und unbezweifelbar, dass
sich nach einiger Zeit rechtliche Schritte einleiten lassen (Beschwerde
beim Betriebsrat, Schadensersatz- und Schmerzensgeldklage).
- Der für das Unternehmen durch Mobbing entstehende Schaden
wird in einem Gespräch mit dem in der Hierarchie übernächsten
Vorgesetzten erörtert. Nicht nur Ihre Arbeitskraft wird geschwächt
und der Erfolg geschmälert, sondern auch die Mobber werden
noch weniger leisten als ohnehin schon vorher. Da Sie von der Unternehmensleitung
aus dem Interesse an größerer Effizienz eingestellt worden
sind, müssen die Führungskräfte eindeutige Informationen
über die entstandene Fehlentwicklung bekommen.
- Sie können Ihren Kollegen signalisieren, dass Sie sich die
Mobbing-Handlungen zukünftig nicht mehr gefallen lassen werden,
sondern nach diesem ersten Schritt einer anonymen Schilderung der
erlittenen Schikane durchaus zur Eskalation bereit und in der Lage
sind, wenn die jetzt angestrebte interne Verständigung nicht
greifen sollte. Dazu können Sie einen Ausdruck Ihres Schreibens
und dieser Antwort hinzu ziehen. Jede weitere Schikane würde
dann zur Krankschreibung führen, jedes klärende Gespräch
dagegen zur Verbesserung der Situation. Im Dialog werden sich immer
Win-Win-Lösungen finden lassen, solange keine Seite "Böses
im Schilde führt".
In der Hoffnung, dass Ihre Ressourcen ausreichen, sich mit dem Arbeitgeber
in diesem Sinne einzulassen, wünsche ich Ihnen viel Glück
Alfred Fleissner
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Fallbeispiel Medienbranche 
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